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Ferruccio Busoni

Empoli, 1. April 1866 – Berlin, 27. Juli 1924

“Nur der blickt heiter, der nach vorwärts schaut.”
(F. Busoni, Doktor Faust, 1924-5)

Busoni kam am 1. April 1866 in Empoli in einer Musikerfamilie zur Welt. Seine Jugend verbrachte er in Triest, wo er unter Anleitung seiner Mutter Anna Weiss mit dem Klavierspiel begann. 1875 beschloss sein Vater Ferdinand nach Wien zu übersiedeln, damit Ferruccio am renommierten Konservatorium der Stadt studieren könne. Die eher negativen Erfahrungen in didaktischer Hinsicht, die aber grundlegend waren für die Entdeckung neuer Welten der Musik, überzeugten die Familie, sich in Graz niederzulassen, wo Busoni von 1878 bis 1881 Unterricht in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition beim berühmten Pädagogen W.A. Remy nahm.

Im Herbst 1886, im Alter von 20 Jahren, entschloss er, sich der belastenden künstlerischen Obhut seines Vaters zu entledigen und reiste nach Leipzig, einem der aktivsten Musikzentren der Zeit, wo er Grieg, Delius, Tschaikowsky, Sinding und Mahler kennenlernte. Und er knüpfte eine enge Freundschaft mit der Familie des Geigers Henri Petri, dem Vater Egons, der sein Schüler und intimer Freund wurde.

1888 begann Busoni eine intensive Unterrichtstätigkeit: zunächst als Klavierlehrer am Konservatorium von Helsinki (hier schloss er Freundschaft mit Sibelius und begegnete Gerda Sjöstrand, seiner zukünftigen Gattin), dann in Moskau (1890), wo er Gerda heiratete, schließlich 1891 in Boston. Nach der Geburt des ersten Sohnes Benvenuto gab er das Unterrichten auf, übersiedelte nach New York und widmete sich der Konzerttätigkeit.

1894 kehrte er nach Europa zurück und ließ sich endgültig in Berlin nieder, das für ihn zu einem unersetzlichen Ort wurde. Bis 1915 trat er wieder regelmäßig als Pianist auf. Dabei reiste er durch die ganze Welt, was seinen Ruf als anerkannten Interpreten und Virtuosen festigte. Abwechselnd mit dieser Tätigkeit, die ihm einen hohen Lebensstandard ermöglichte, arbeitete er als Dozent, so 1900/01 in Weimar, 1906 in Wien, 1910 in Basel, als Orchesterdirigent (in Berlin dirigierte er eine Reihe von Konzerten zeitgenössischer Musik); dazu stellte er philosophische Studien über die Musik an (Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, 1907), erstellte Libretti (wie beispielsweise „Die Brautwahl”) und komponierte seine wichtigsten Werke: die zweite Sonate für Violine und Klavier, die er als sein eigentliches „Opus 1” bezeichnete; das Konzert für Klavier, Männerchor und Orchester; die Elegien, die eine wahre Wende in seinem künstlerischen Werdegang darstellen; die Berceuse élégiaque im Gedenken an seine Mutter; die Fantasia Contrappuntistica für Klavier.

Die Suche nach dem Neuen erreichte ihren Höhepunkt 1912, dem Jahr, in dem er die sehr gewagte Sonatina Seconda schrieb. Gleichzeitig nahm er Kontakt mit den Futuristen auf (vor allem mit Boccioni) und festigte die Freundschaft mit Schönberg. 1913 wurde er zum Direktor des Musiklyzeums von Bologna ernannt. Diesen Posten kündigte er bei Ausbruch des Krieges. Nach Beendigung des Librettos zum Doktor Faust unternahm er eine Tournee nach Amerika, um über seine Lage als Mann zwischen zwei Nationen und Kulturen nachzudenken. Im Bewusstsein, eine „persona non grata” in Italien und auch in Deutschland zu sein, entschied er sich 1915 um politisches Asyl in der Schweiz anzusuchen, wo er sich schließlich 5 Jahre lang aufhielt. Dies waren harte Jahre in psychischer, aber fruchtbare in künstlerischer Hinsicht. In Zürich schrieb er die Opern Turandot und Arlecchino (1917 aufgeführt). Er vollendete die monumentale Bach-Busoni Ausgabe, vertonte den Großteil des Doktor Faust und komponierte viele andere kurze Stücke, die den Geist der „Jungen Klassizität” atmen. In Zürich hinterließ er unauslöschliche kulturelle Spuren: seine Wohnung wurde ein Anziehungspunkt für eine Reihe junger Künstler, die in ihm einen erleuchteten Kulturmenschen sahen, einen der offensten Geister seiner Zeit. Mit einer langen Reise nach England verließ er sein Exil in der Schweiz, nachdem er zuvor von der Universität Zürich mit dem Doktorat h.c. der Philosophie ausgezeichnet worden war.

Im September 1921 kehrte er endgültig nach Berlin zurück, wo er zum Professor für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste ernannt wurde. Unter seinen Schülern finden sich Kurt Weill und Wladimir Vogel. Auf Grund der erschreckenden Inflation ging sein Vermögen, das er sich in vielen Jahren durch seine Konzerttätigkeit erworben hatte, fast zur Gänze verloren. 1921 dirigierte er 3 Konzerte mit ausschließlich eigenen Werken. Aus diesem Anlass widmeten ihm die „Musikblätter des Anbruchs” eine Sondernummer. 1922 trat er zum letzten Mal als Pianist vor das Publikum. Allmählich machten sich die Anzeichen seiner Krankheit bemerkbar, die ab 1923 immer schlimmer wurden.

Er starb in Berlin am 27. September 1924 ohne sein Lebenswerk vollenden zu können, den Doktor Faust. Dies übernahm sein ergebener Schüler Philipp Jarnach. 1925 erlebte die Oper in Dresden ihre Uraufführung. 1985 wurde Doktor Faust mit der neuen Schlussfassung von Antony Beaumont in Bologna aufgeführt.

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